Upskilling: Warum KI Entwickler nicht ersetzen wird

KI wird zwar die Rolle von Entwicklern verändern, aber das Berufsbild als solches nicht abschaffen, sagt GitLab-CTO Sabrina Farmer im Interview.

Trotz wachsender Branchensorgen, dass Künstliche Intelligenz den Bedarf an qualifizierten Softwareentwicklern perspektivisch überflüssig machen könnte, wird KI das Berufsbild als solches nicht abschaffen. KI wird neue Möglichkeiten zur Weiterbildung eröffnetnund Entwickler dabei unterstützen, sich stärker auf strategische Aufgaben zu fokussieren. Kontinuierliches Lernen wird dabei zum entscheidenden Faktor für den beruflichen Aufstieg.

Viele große Tech-Unternehmen sehen in KI die Zukunft der Softwareentwicklung. Manche glauben sogar, dass sich der Bedarf an menschlichen Entwicklern reduzieren wird. Salesforce hat zum Beispiel bereits einen Einstellungsstopp für Softwareentwickler angekündigt. Wie bewerten Sie diesen Trend?

Sabrina Farmer: KI verändert eindeutig die Art und Weise, wie wir Software entwickeln. Sie macht beispielsweise das Schreiben von Code effizienter. Große Tech-Unternehmen wie Salesforce, Meta und Microsoft gehen davon aus, dass der Bedarf an menschlichen Entwicklern dadurch sinken wird. Ich bin jedoch überzeugt: Die menschliche Innovationskraft hinter Software bleibt unersetzlich. KI wird Entwickler nicht ersetzen, sondern ihre Aufgaben verändern und ihre Fähigkeiten erweitern.

Wie sieht diese Veränderung aus?

Sabrina Farmer: Wenn KI repetitive Aufgaben übernimmt, bleibt Entwicklern mehr Zeit für Tätigkeiten mit einem höheren Mehrwert, die menschliches Fachwissen erfordern. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Softwareentwickler automatisch auf der sicheren Seite sind. Je mehr Routinearbeiten automatisiert werden, desto eher könnten die Gehälter sinken oder Teams langsamer wachsen. Doch man muss festhalten: Fundierte Softwareentwicklung erfordert kritisches Denken und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Das sind Fähigkeiten, die sich nicht einfach durch KI ersetzen lassen.

Wie hat KI den Softwareentwicklungsalltag bis heute verändert?

Sabrina Farmer: KI wird zunehmend dafür eingesetzt, vorbereitende und routinemäßige Aufgaben zu automatisieren, etwa in der Discovery-Phase, bei der Priorisierung des Backlogs, der Generierung von Dokumentation sowie bei Code Reviews und Tests.

Wird KI gezielt eingesetzt, lassen sich Reibungsverluste bei der Softwarebereitstellung deutlich verringern. Deployment-Zyklen werden beschleunigt, zudem verbessern sich die Codequalität und die Softwaresicherheit. Das steigert auch die Motivation der Entwickler, weil sie schneller dazulernen können. Das europäische Tech-Unternehmen Cube etwa verzeichnete nach der Integration von KI in seine DevSecOps-Workflows messbare Erfolge: 50 Prozent schnellere Release-Zyklen, 50 Prozent schnellere Absicherung gegen Schwachstellen und insgesamt eine Arbeitszeiteinsparung von wöchentlich 40 Stunden.

Junior-Entwickler haben bisher oft einfachere Aufgaben wie Dokumentation oder Bugfixes übernommen. Das macht inzwischen die KI. Werden Junior-Entwickler nicht mehr gebraucht oder können sie von dieser Veränderung profitieren?

Sabrina Farmer: Auf kurze Sicht werden Junior-Softwareentwickler, die motiviert sind zu lernen, in der sich wandelnden Softwareentwicklungslandschaft erfolgreich sein. Sie werden schneller dazulernen und früher in ihrer Karriere etwas zum Teamerfolg beitragen. Damit steigt auch ihr Wert für Unternehmen. Gleichzeitig könnten unterstützende Rollen in der Softwareentwicklung, etwa im Bereich Security Engineering, Projektmanagement oder in datenanalytischen und planenden Funktionen wie Bug-Triage und Security-Audits, auf längere Sicht an Bedeutung verlieren. Denn KI-Agenten werden diese Aufgaben immer früher im Entwicklungszyklus übernehmen.

Diese Entwicklung macht deutlich, wie wichtig es ist, aktuell bestehende Qualifikationslücken in Bezug auf KI zu schließen. Da sich Junior-Entwickler zunehmend auf KI-generierten Code stützen, müssen Unternehmen erfahrene Fachkräfte ausbilden, die diesen Code verfeinern, validieren und optimieren.

Wie sollten sich erfahrene Entwickler, etwa Senior oder Principal Engineers, auf diese KI-getriebenen Veränderungen einstellen? Und wie können sie die durch KI gewonnene Zeit sinnvoll nutzen?

Sabrina Farmer: Die Rolle von Senior- und Principal Engineers entwickelt sich weiter. Die Nachfrage nach diesen Fachkräften war in der ersten Hälfte der 2010er Jahre stark gestiegen, bedingt durch schnelles ökonomisches Wachstum und eine zunehmende technologische Komplexität. Später änderte sich das mit wirtschaftlicher Unsicherheit und mit dem Übergang zu Remote-Arbeit und Arbeit in Eigenregie.

Und jetzt, da KI bestimmte Kontrollfunktionen übernimmt, verändert sich auch die Rolle von Principal Engineers aufs Neue. Der Fokus verlagert sich auf Bereiche, in denen menschliches Fachwissen weiterhin entscheidend ist: Etwa bei der Entwicklung von Softwarearchitekturen der nächsten Generation, beim Systemdesign oder bei strategischen Investitionen in neue Technologien.

Was können Unternehmen tun, um ihre Engineering-Teams beim Übergang in eine KI-gestützte Zukunft der Softwareentwicklung zu unterstützen?

Sabrina Farmer: Um das volle Potenzial von KI zu nutzen, ohne die Developer Experience zu beeinträchtigen, sollten Unternehmen den nötigen Kontext schaffen und auf eine klare, von oben gesteuerte Umsetzung setzen. Denn es braucht konkrete Leitlinien, wie Teams KI einsetzen sollen, wie Prozesse strukturiert sind und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Anstatt bestehende Arbeitsabläufe komplett umzustellen, empfiehlt sich ein schrittweiser Ansatz. So können Teams sich an KI gewöhnen, Vertrauen aufbauen und Erfahrung sammeln. Denn wer sich unterstützt und befähigt fühlt, ist eher bereit, Veränderungen anzunehmen und KI sinnvoll zu nutzen.

Welche Rolle spielt hier das Upskilling?

Sabrina Farmer: Upskilling ist ein zentrales Element zur Unterstützung von Entwicklern. Dabei geht es nicht nur um klassische Schulungen. Wichtig ist auch, eine Kultur zu fördern, in der sie ermutigt werden, zu experimentieren und ihre Ideen zum Einsatz von KI mit anderen zu teilen. Regelmäßige Check-ins helfen, Bedenken frühzeitig zu erkennen und Optimierungspotenziale im Arbeitsalltag aufzugreifen.

Gezielte Anreize zum Lernen und Teamaustausch können hier viel bewirken. Wenn Teammitglieder offen über ihre Lernerfahrungen sprechen und hilfreiche Ressourcen weitergeben, fördert das eine kooperative Denkweise. Besonders motivierend wirken Demos von KI-Experimenten. Denn sie machen Fortschritte sichtbar und inspirieren andere. Wird der Wandel als schrittweiser Prozess verstanden, entsteht Raum für gegenseitige Unterstützung, gemeinsames Problemlösen und kontinuierliches Dazulernen. Das schafft Raum, die Zusammenarbeit im Team gezielt anzuerkennen und zu belohnen.

Und wie sollten Unternehmen mit dieser neuen Situation umgehen?

Sabrina Farmer: Nicht zuletzt sollten Unternehmen offen kommunizieren, wie sich Teams mit der gewonnenen Effizienz weiterentwickeln können. Statt zentral gesteuerter Restrukturierungen braucht es einen Dialog darüber, wie Effizienzgewinne sinnvoll reinvestiert werden. Erfolgreich werden jene Unternehmen sein, die in ihre Teams investieren und sie aktiv durch diesen Wandel begleiten. Sie arbeiten nicht nur effizienter, sondern stärken auch ihre Engineering-Teams und machen sie widerstandsfähiger und anpassungsfähiger für die Zukunft.

Sabrina Farmer

ist CTO von GitLab.